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von Rechtsanwalt Johannes Steger
Ein Miteigentümer, der der Immobilie selbst ersteigern möchte, denkt nicht selten darüber nach, wie er im Versteigerungstermin Bieter abschrecken kann, um den Preis für den eigenen Erwerb möglichst gering zu halten.
Abgesehen davon, dass diese Vorgehensweise keine ganzheitliche Strategie für die Teilungsversteigerung ersetzt, kann eine Manipulation anderer Bieter im Versteigerungstermin riskant sein.
Denn anerkannt ist, dass die Verfahrensregeln der Teilungsversteigerung auf die faire Konkurrenz der Bieter ausgerichtet sind.
Gleichwohl können und dürfen Miteigentümer aber im Rahmen einer Teilungsversteigerung entgegengesetzte Interessen verfolgen.
Es kann aber ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG entstehen, wenn ein Miteigentümer durch rechtsmissbräuchliches Verhalten in dem Termin der Teilungsversteigerung andere Bietinteressenten von der Abgabe eines Gebots abhält, um das Grundstück selbst zu ersteigern.
Ein Miteigentümer handelt jedoch nicht schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn er im Versteigerungstermin aus seiner Sicht interessengerechte Angaben zu der Immobilie macht, er etwa auf tatsächlich bestehende Mängel hinweist; oder wenn er die vom Gesetz eröffnete Möglichkeit wahrnimmt, Vollstreckungsschutzanträge gemäß § 765a ZPO zu stellen oder eine Erinnerung gegen die Zwangsversteigerung einzulegen (§ 766 ZPO) und auf deren Bescheidung besteht, selbst wenn dadurch Bietinteressenten von der Abgabe von Geboten abgeschreckt werden; ein Miteigentümer kann natürlich auch selbst ein Gebot abgeben, um die Immobilie zu ersteigern.
Es ist in erster Linie Aufgabe des die Teilungsversteigerung leitenden Rechtspflegers oder der Rechtspflegerin, auf eine sachliche und faire Verfahrensdurchführung hinzuwirken.
Die eine Zuschlagsversagung rechtfertigende Grenze zu einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten kann aber überschritten sein, wenn der Miteigentümer, um das Grundstück günstig selbst zu ersteigern, durch sein Verhalten in dem Versteigerungstermin in manipulativer Weise in die vom Gesetzgeber gewünschte Konkurrenz der Bieter eingreift. Dem Miteigentümer muss dann, wenn er Meistbietender geblieben ist, der Zuschlag versagt werden.
Das kann bei falschen oder die wahre Sachlage verzerrenden Erklärungen eines Miteigentümers im Teilungsversteigerungstermin, die die Annahme rechtfertigen, dass Bietinteressenten von der Abgabe von Geboten abgeschreckt werden sollen, damit der Miteigentümer das Grundstück selbst ersteigern kann, der Fall sein.
Dabei kann das Versteigerungsgericht eine Manipulation des Versteigerungstermins durch einen Miteigentümer zu Lasten eines anderen nur den Umständen entnehmen, die ihm aus dem Versteigerungstermin selbst bekannt sind.
Stellt das Gericht dabei eine Manipulation fest, muss es den Zuschlag verweigern, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich das manipulative Verhalten nachteilig ausgewirkt hat. Die Kausalität der Manipulation muss nicht positiv festgestellt werden. Wegen des mit dem Zuschlag verbundenen Eingriffs in das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG reicht das Vorliegen von Anhaltspunkten für den Erfolg der Manipulation aus.
Dass die „Strategie der Abschreckung“ auch nach hinten losgehen kann, zeigt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschl. v. 18.07.2024, Az.: V ZB 43/23).
Die geschiedenen Eheleute waren jeweils zur Hälfte Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Beide betrieben die Teilungsversteigerung. Der Verkehrswert war vom Gutachter mit 452.000€ ermittelt worden. In dem Versteigerungstermin wurden bei der Feststellung des geringsten Gebots eine bestehenbleibende Grundschuld von 370.000 € und ein (Mindest-)Bargebot von 10.211,47 € berücksichtigt.
In dem Termin der Teilungsversteigerung, in dem mehrere Bietinteressenten anwesend waren, wies der Mann auf seinen gestellten Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 765a ZPO hin und legte zugleich Erinnerung gemäß § 766 ZPO ein. Er überreichte mehrere Mietverträge über einzelne Räume des Einfamilienhauses, teils nach seinen Angaben auch mit „Ausländern“, und erklärte, im Haus selbst ein Gewerbe zu betreiben. Er wies zudem darauf hin, dass er pflegebedürftig sei. Er gab sodann ein Bargebot von 10.212 € ab. Anschließend wies sein Anwalt noch während der Bietzeit auf die Pflicht des Erstehers zur Übernahme der dinglichen Zinsen der bestehenbleibenden Grundschuld hin. Der Ersteher müsse dafür mit einer Zahlung von bis zu 200.000€ rechnen. Außer dem Mann bot dann keiner mehr. Nach dem Ende der Bietzeit beantragte der Mann, ihm nun den Zuschlag zu erteilen.
Das Vollstreckungsgericht versagte jedoch den Zuschlag.
Völlig zurecht, wie der BGH in letzter Instanz entschied.
Der Mann und sein Anwalt hätten den Versteigerungstermin manipuliert, um weitere Teilnehmer von einem Gebot abzuhalten und dem Mann zu ermöglichen, die Immobilie zu einem nur 53 Cent über dem geringsten Gebot liegenden Betrag selbst zu ersteigern. Das ergebe sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände, auch wenn einzelne Aktionen das für sich betrachtet noch nicht rechtfertigen würden.
Mit seinem Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a und der Erinnerung nach § 766 ZPO habe der Mann ersichtlich darauf gezielt, die Bietinteressenten zu verunsichern. Dass es ihm nicht um die Information möglicher Bieter, sondern um deren Abschreckung gegangen sei, zeige sich daran, dass er auf die Vermietung an "Ausländer" hingewiesen habe. Besonders deutlich werde die Manipulation des Versteigerungstermins durch den in der Bietstunde erteilten Hinweis des den Mann vertretenden Anwalt auf die Verpflichtung des Erstehers zur Zahlung dinglicher Zinsen in einer Höhe von bis zu 200.000 € an den Grundschuldgläubiger und die wegen der Zerstrittenheit der Eigentümer zu erwartenden Probleme bei der Ermittlung der Bankverbindung des Inhabers der Grundschuld. Die falschen und irreführenden Hinweise seien auch an die im Saal anwesenden Bietinteressenten gerichtet gewesen. Das dadurch gezeichnete "Horrorszenario" habe durch Hinweise des Rechtspflegers nicht mehr korrigiert werden können. Die Manipulation habe Erfolg gehabt. Weitere Gebote habe es nicht gegeben, obwohl in dieser Zeit für vergleichbare Objekte das zuschlagsfähige Meistgebote etwa 150 % über dem Verkehrswert gelegen habe.
Es sei nachvollziehbar, so der BGH, dass der die Versteigerung leitende Rechtspfleger den Eindruck gewonnen habe, dass anderen Bietinteressenten das Risiko aufgrund der Gesamtumstände zu hoch gewesen sei. Dieser habe im Rahmen einer Gesamtwürdigung die Überzeugung gewonnen, dass es dem Mann mit dem Vollstreckungsschutzantrag ersichtlich darum gegangen sei, den potentiellen Bieterkreis zu verunsichern.
Er habe zur Verunsicherung der Bieter die Verlesung und Erörterung seiner Anträge in dem Versteigerungstermin eingefordert, einen bereits überholten früheren Vollstreckungsschutzantrag erneut überreicht und auf seinen anerkannten Pflegegrad verwiesen.
Auch sein Hinweis auf die gewerbliche Nutzung des Objekts und die Untervermietung mit fünf Wohnraummietverträgen habe der Verunsicherung der Bieter gedient, insbesondere soweit er betont habe, die Vermietung sei auch an "Ausländer" erfolgt.
Von besonderem Gewicht war der manipulative Hinweis des Anwalts, ein Ersteher sei zur Zahlung dinglicher Zinsen an den Inhaber der Grundschuld in Höhe von 200.000€ verpflichtet. Grundschuldzinsen stellen zwar Lasten des Grundstücks im Sinne von § 103 BGB dar. Der Ersteher hat diese vom Tage des Zuschlags auf Verlangen des Inhabers der Grundschuld auch zu zahlen. Darauf ist der Bietinteressent von dem Versteigerungsgericht hinzuweisen. Den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit war jedoch vor allen Dingen in Bezug auf die Höhe der Zahlungspflicht gerechtfertigt. Denn der genannte Betrag war unrealistisch und entbehrte jeder Grundlage; er ist allein zwecks Verunsicherung der anwesenden Bietinteressenten genannt worden.
Miteigentümer können in der Teilungsversteigerung eigene – auch entgegengesetzte - Interessen verfolgen. Die gesetzlich möglichen Anträge können sie auch im Versteigerungstermin stellen. Eine sachliche und den Tatsachen entsprechende Information der Bieter ist ihnen erlaubt.
Unwahre und verzerrende Aussagen, die manipulativen Charakter haben und im Wesentlichen dazu dienen, andere Bieter von Geboten abzuhalten, gefährden jedoch die Zuschlagserteilung oder können dazu führen, dass ein schon erteilter Zuschlag nachträglich wieder aufgehoben werden muss.